
Manifestações
„Verkörperung“ / Performance
Installation Innenraum/Außenraum: Rollrasen, Edelstahl, Kostüm, Keramik (White Body)
Kostüm: Baumwolle
Braunschweig, Deutschland
2020
Manifestações aus dem Portugiesischen „Manifestação“, Plural „Manifestações“, übersetzt ins Deutsche meint:
Demonstration, Ausdruck, Offenbarung, Manifestation, Ausprägung, Bekundung, Kundgebung, Äußerung, Erscheinung, Massenkundgebung, Veranstaltung.
Ich habe zur Realisierung dieses Projekts Menschen aus der brasilianische Community in Deutschland eingeladen. Selbst bin ich in Brasilien geboren und habe dort 22 Jahre gelebt. Seit 15 Jahren bin ich in Deutschland und habe genauso wie alle meine Gäste bestimmte Gründe, um hier zu sein. Wir alle erzählen unterschiedliche Geschichten darüber, aber uns verbindet, dass wir alle Kinder des Kolonialismus sind. Kolonialismus hat uns nach Europa gebracht. Wir sind jetzt auch Teil dieser Gesellschaft wie viele andere Migrant:innen, jedoch werden wir selten ernst genommen, gehört und gesehen. Die Politik beschäftigt sich selten mit unseren Anliegen. Wir sind wie Geister in dieser Gesellschaft.
Der Raum ist gegeben, um unsere migrantischen Körper zu feiern, um mit unseren Schritten den Boden zu markieren, um unsere Gefühle zu empfinden, um uns zu stärken, um uns hörbar zu machen, um unsere Existenz zu bestimmen, um unsere Vergangenheit nicht zu vergessen, um unsere Wunde zu heilen, um hier in der Gegenwart zu sein, um unsere Geschichten zu erzählen, um Träume zu haben, um weiter Leben zu dürfen.
Uns bringt zusammen die Musik, die wir von unseren Vorfahren gelernt haben und die unser Erbe ist. Musik aus unterschiedlichen Zeiten und von unterschiedlichen Menschen, Lieder und Gesänge unterschiedlicher Herkunft, mit unterschiedlichen Texten und Sprachen, Musik die uns erleichtert aber auch bedrückt. Musik die uns das Gefühl gibt, dass wir leben.
Unsere Manifestation ist unser Gesang, unsere Freude, unsere Dasein, unsere Musik, unser Tanzen, unser Atmen, unsere Existenz, unser Weinen, unser Lachen. Wer uns dabei zusieht und zuhört ist privilegiert. Unsere Körper und Geister haben das Recht, hier zu sein und zu bleiben.
Dieses Zelt ist aus Baumwolle. Gehäkelt von meiner Mutter, die in Brasilien lebt. Sie schenkt uns Wärme und Geborgenheit. Dieses Material ist schön und hat so viele gute Eigenschaften, dessen Massenproduktion jedoch ist verantwortlich für viele jahrhundertalte Schmerzen. Im Innern des Zelts kann es unerträglich werden. Einige mussten sich zusammenreißen, um nicht aufzugeben und abzubrechen. Aber sobald alle Schmerzen überstanden sind kommt der Wind durch den fast transparenten Stoff, der in Deutschland gewebt wurde, als ob nichts gewesen wäre.
Meine Erzählung, die Zusammenstellung des Zeltes und die persönliche Erfahrung eines/einer jeden Beteiligten geben vor, wie wir uns bewegen werden. Die Verkörperung dieses Wesens geschieht abhängig von unserem eigenen Dasein.
Ich kleide alle Mitwirkenden an. Kein anderer Mensch darf in den Raum solange wir noch nicht fertig sind. Nur wir sind da. Es ist leise und ruhig. Endlich ein Raum für uns, wo wir alles bestimmen, wo wir Respekt empfinden und unter uns sein können. Erst wenn alle angezogen und bereit sind, können wir den Raum öffnen für andere Beobachter:innen. Wir sind das Zelt, eine Gemeinschaft: wir tragen uns selbst, wir schützen einander, wir teilen den Moment, alle miteinander verbunden, zusammen als eins.
Jetzt sind wir laut. Wir singen, spielen und tanzen. Wir sind unter uns.
Unsere „Manifestação“ dauert so lang sie dauern will!
Wächter begleiten uns. Es sind Objekte aus einer Keramik namens „White Body“. Sie dürfen dabei sein und unser gegenwärtiges Ritual beobachten und zuhören. Sie können sich aber nicht äußern, nichts sagen, sind stumm. Sie sind Abformungen alltäglicher Gegenstände, die ich gefunden und ausgesucht habe in Deutschland und Mexiko, weil ich der Meinung war, dass diese schönen Formen archiviert werden sollten. Wer sie wiederfinden soll in einer neuen Zukunft, wenn wir nicht mehr existieren, kann versuchen unsere Geschichten wieder zusammen zu flicken. Die Nachkommenden können versuchen zu vermuten, was passiert ist, als wir noch da waren. Sie können versuchen, Geschichte zu rekonstruieren oder auszudeuten. Aber sie werden es nicht schaffen, denn unsere Geschichten erzählen nur wir selber.








